Einfluss des Menstruationszyklus im Leistungssport
Tipps für Trainer, erstellt von A-Trainern 2024
„Wenn zwei das Gleiche trainieren, trainiert eine/r falsch!“ Diese Aussage trifft besonders im Kontext des Frauensports zu. Der Einfluss des Menstruationszyklus auf die Trainierbarkeit und Leistungsfähigkeit von Athletinnen ist zwar wissenschaftlich noch nicht umfassend untersucht, doch die vorhandenen Studien weisen bereits auf erhebliche Unterschiede zwischen den Zyklusphasen hin. Problematisch ist jedoch, dass viele der bisherigen Untersuchungen keine Leistungssportlerinnen als Zielgruppe haben oder methodische Unterschiede aufweisen, was eine Verallgemeinerung der Ergebnisse erschwert. Trotz dieser Unsicherheiten zeigt sich, dass der Menstruationszyklus individuell stark variieren kann und damit die Leistungsfähigkeit und Trainierbarkeit unterschiedlich beeinflusst.
Um Athletinnen bestmöglich zu unterstützen, ist es daher wichtig, den Menstruationszyklus und seine Phasen zu verstehen. Im folgenden Abschnitt wird der Menstruationszyklus ausführlich beschrieben, einschließlich eines Überblicks über die hormonellen Veränderungen und ihrer Auswirkungen auf die sportliche Leistung. Zusätzlich gibt es praktische Tipps zum Monitoring und eine Übersicht zu Verhütungsmethoden im Sport.
Phasen des Menstruationszyklus
Der Menstruationszyklus besteht aus mehreren Phasen, die durch hormonelle Schwankungen geprägt sind und verschiedene Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit haben. Diese hormonellen Veränderungen betreffen vor allem das Follikelstimulierende Hormon (FSH), Östrogen (E2), das Luteinisierende Hormon (LH) und Progesteron (PG). Diese Hormone beeinflussen den Körper auf unterschiedliche Weise, was im Training und in der Wettkampfvorbereitung berücksichtigt werden sollte.
Nachfolgend wird der Menstruationszyklus in einer Übersicht beschrieben, die die hormonellen Schwankungen, ihre Auswirkungen auf die Leistung sowie Ernährungstipps für jede Phase zusammenfasst. Dabei ist es wichtig, dass jede Athletin ihren Zyklus individuell wahrnimmt und es keine universelle Lösung gibt. Die aufgeführten Beispiele stammen aus Berichten vieler Athletinnen und können wertvolle Anhaltspunkte bieten.
Lehrbuchzyklus* | Follikelphase
(Tag 1-14) |
Ovulationsphase
(Tag 14) |
Lutealphase
(Tag 15-28) |
Menstruationsphase (Tag 1 der nächsten Periode) |
Zeitraum* | Tag 1-14 | Um Tag 14 | Tag 15-28 | Tag 1 der nächsten Periode |
Hormonelle Veränderungen | Niedriger Progesteron-, steigender Östrogenspiegel; Follikelreifung durch Anstieg von FSH und LH | Östrogenhöhepunkt, Testosteronanstieg | Progesteronanstieg | Niedriger Östrogen- und Progesteronspiegel |
Leistung & Symptome | Verbesserte Energieverfügbarkeit, gesteigerte Insulinsensitivität, leistungsfähiger | Verbesserte Muskelkraft und Explosivität | Müdigkeit, Wassereinlagerungen, reduzierte Leistung, erhöhte Körpertemperatur | Oftmals am 1. Tag Müdigkeit, Krämpfe, danach aber auch erhöhte Leistungsfähigkeit |
Ernährung | Vitamin-A-reich (Karotten, Kürbis), gesunde Fette (Avocado, Olivenöl), Eisenreiche Lebensmittel (Fleisch, Haferflocken), Probiotika (Joghurt) | Ballaststoffe (Gemüse, Salat), antioxidative Lebensmittel (Heidelbeeren), Calciumreiche Gemüse (Brokkoli, Fenchel) | Erhöhter Kalorienbedarf (+200 kcal), B-Vitamine (Brokkoli, Eier, Fleisch, Fisch, Nüsse), Fokus auf Ausdauertraining | Vitamin-A-reich (Karotten, Kürbis), Eisenreiche Lebensmittel (Fleisch, Haferflocken) |
*Der Zeitraum der einzelnen Zyklusphasen kann variieren. Eine Zykluslänge im Bereich zwischen 21 und 35 Tagen gilt es normal.
Relativer Energiemangel im Sport (REDs)
Ein weiterer entscheidender Faktor, der die Leistung von Athletinnen negativ beeinflussen kann, ist der relative Energiemangel im Sport (REDs). Dabei handelt es sich um eine zu niedrige Energieverfügbarkeit, die den Körper in eine Stresssituation versetzt und zahlreiche Körpersysteme beeinträchtigt.
Bild 1 illustriert die Auswirkungen eines relativen Energiemangels auf den Körper, indem es zeigt, welche Körpersysteme betroffen sein können. Zu den häufigsten Symptomen gehören unter anderem eine beeinträchtigte Reproduktionsfunktion, verminderte Knochengesundheit und Schlafstörungen.
Bild 2 fokussiert sich auf die sportlichen Konsequenzen von REDs, wie eine verringerte Schnellkraft, reduzierte muskuläre Kraft und eine schlechtere Regeneration. Diese beiden Grafiken verdeutlichen, dass Trainer*innen und Athletinnen darauf achten müssen, eine ausreichende Energiezufuhr sicherzustellen, um langfristige Schäden und Leistungseinbußen zu verhindern.
Bild 1 | Bild 2 |
Dieses Bild zeigt die vielfältigen negativen Auswirkungen eines relativen Energiemangels im Sport (REDs) auf verschiedene Körpersysteme. In der Mitte steht die ‘Niedrige Energieverfügbarkeit’, die eine Kaskade von Problemen auslösen kann, darunter:
– Beeinträchtigte Reproduktionsfunktion – Reduzierte Knochengesundheit – Verminderte Immunität – Gestörte hormonelle und muskuläre Funktion – Schlafstörungen und psychische Gesundheitsprobleme |
Das zweite Bild konzentriert sich auf die sportlichen Auswirkungen eines relativen Energiemangels (REDs). Die ‘Niedrige Energieverfügbarkeit’ führt zu:
– Verminderter Schnellkraft und Ausdauerleistung – Reduzierter muskulärer Kraft – Verminderter Trainingsreaktion und Regeneration – Reduzierter kognitiver Leistungsfähigkeit und Motivation
Diese Grafik unterstreicht, wie ein Energiedefizit die Leistungsfähigkeit eines Athleten auf verschiedenen Ebenen negativ beeinflussen kann. |
Zyklus-Monitoring und Trainingssteuerung
Um die Trainingseffekte in Abhängigkeit von den Zyklusphasen optimal zu steuern, kann ein effektives Zyklus-Monitoring sehr hilfreich sein. Dies ermöglicht es Athletinnen, ihren Körper besser zu verstehen und das Training individuell anzupassen. Folgende Methoden haben sich bewährt:
- Persönliches Körperempfinden: Regelmäßige Reflexion des Wohlbefindens und Zyklus-assoziierter Symptome.
- Allgemeine gesundheitliche Verfassung: Blutuntersuchungen zur Überprüfung von Hormon- und Eisenwerten.
- Menstruationstagebuch: Dokumentation der Blutungsdauer, -stärke und begleitender Symptome. Apps wie FitRWoman oder Clue bieten hier wertvolle Unterstützung.
- Feldtests zur Einschätzung der Trainingsbereitschaft: Tests wie der Counter Movement Jump helfen, die aktuelle körperliche Leistungsbereitschaft zu ermitteln.
- Herzfrequenzvariabilität (HRV): Die Messung der HRV gibt Aufschluss über Erholung und Ermüdungszustand, beeinflusst durch hormonelle Schwankungen.
Prämenstruelles Syndrom (PMS) und sportliche Leistung
Das prämenstruelle Syndrom (PMS) umfasst eine Reihe von Symptomen, die das Training von Athletinnen beeinträchtigen können. Diese reichen von körperlichen Beschwerden wie Müdigkeit und Krämpfen bis hin zu psychischen Symptomen wie Stimmungsschwankungen. Ein individuelles Symptom-Monitoring kann dabei helfen, das Training in diesen Phasen gezielt zu steuern. Die Borgskala, die von Athletinnen zur Bewertung ihrer Symptome verwendet werden kann, ermöglicht eine individuelle Anpassung des Trainings.
Verhütungsmittel und deren Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit
Die Wahl der Verhütungsmethode kann ebenfalls Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit haben. Hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille oder die Hormonspirale beeinflussen den Menstruationszyklus und können zu Veränderungen im Wohlbefinden und der Leistung führen. In der folgenden Tabelle sind die gängigsten Verhütungsmittel zusammengefasst, einschließlich ihrer Funktionsweise und ihrer Vor- und Nachteile:
Verhütungsmethode | Funktionsweise | Hormone | Anwendung | Pearl- Index* | Pro | Kontra | |
Kombinierte orale Kontrazeptiva | Unterdrückung des Eisprungs, Veränderung des Zervixschleims, Hemmung der Spermienbewegung, Veränderung der Gebärmutterschleimhaut. | Östrogen und Gestagen | 21 Tage Einnahme, 7 Tage Pause oder 24 Tage Einnahme, 4 Tage Pause. | 0,1-0,9 | Zuverlässiger, regelmäßiger Zyklus, positive Effekte auf Haut und Haare. | Erhöhtes Thromboserisiko, Migräne, Libidoverlust, hormonelle Nebenwirkungen wie Gewichtsschwankungen | |
Minipille | Unterdrückung des Eisprungs, Veränderung des Zervixschleims, Hemmung der Spermienbewegung, Veränderung der Gebärmutterschleimhaut | Gestagen | Kontinuierlich ohne Pause, Einnahme zur selben Uhrzeit | 0,5 – 3,0 | Geeignet für Frauen, die kein Östrogen vertragen, geeignet für stillende Frauen. | Strikte Einnahmezeit erforderlich, unregelmäßige oder Schmierblutungen möglich. | |
Verhütungsring / Hormonring | Gibt täglich Östrogen und Gestagen ab, verhindert Eisprung, verdünnt Gebärmutterschleimhaut, verdickt den Zervixschleim.
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Östrogen und Gestagen | 3 Wochen vaginal, 1 Woche Pause für Entzugsblutung. | 0,4 -0,65 | Einmal monatliche Anwendung, stabile Hormonfreisetzung, lokal wirksam | Kann unangenehm sein, kann während des Geschlechtsverkehrs in der Scheide verweilen. | |
Hormonspirale | Verhindert den Eisprung, verhindert den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut, verdickt den Zervixschleim. | Gestagen | Einmaliges Einsetzen, 3-5 Jahre wirksam. | 0,16 -0,33 | Unterdrückt Blutungen, langfristig sicher. | Schmerzen beim Einsetzen, Blutungen können in den ersten Monaten unregelmäßig sein. | |
Kupferspirale | Verändert die Gebärmutterschleimhaut, erschwert die Einnistung der Spermien, gibt kontinuierlich Kupferionen ab. | Keine Hormone | Einmaliges Einsetzen, 3-10 Jahre wirksam. | 0,3 -0,8 | Langzeitverhütung ohne Hormone, natürlicher Zyklus | Kann stärkere Blutungen verursachen, Risiko für Entzündungen und Eileiterschwangerschaft, unbemerkte Abstoßung möglich. |
Der Pearl-Index dient als Maß zur Bewertung der Zuverlässigkeit von Verhütungsmethoden. Er gibt an, wie viele von 100 Frauen innerhalb eines Jahres trotz Anwendung einer bestimmten Methode schwanger werden. Je niedriger der Pearl-Index, desto sicherer ist die Verhütungsmethode.
Fazit
Der Menstruationszyklus hat einen wesentlichen Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit und die Trainierbarkeit von Athletinnen. Die hormonellen Schwankungen in den verschiedenen Phasen des Zyklus können sich signifikant auf Energielevel, Kraft und Regenerationsfähigkeit auswirken. Ein gezieltes Zyklus-Monitoring, kombiniert mit einer angepassten Trainingssteuerung, ermöglicht es Athletinnen, ihre körperlichen Ressourcen optimal zu nutzen und gleichzeitig gesundheitliche Risiken zu minimieren.
Auch der relative Energiemangel im Sport (REDs) stellt eine Herausforderung dar, da bei nicht ausreichender Energiezufuhr zahlreiche negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit auftreten können. Trainer*innen sollten daher sicherstellen, dass Athletinnen einen individuell abgestimmten Ernährungs- und Trainingsplan erhalten.
Besondere Aufmerksamkeit sollte auch der Wahl der Verhütungsmethoden geschenkt werden, da hormonelle Kontrazeptiva den Zyklus beeinflussen. Über die verschiedenen Möglichkeiten gilt es sich zu informieren und dann gemeinsam mit der Gynäkologin/dem Gynäkologen ein geeignetes Präparat der Bedürfnisse entsprechend auszuwählen.
Ein individueller Ansatz, der auf die Bedürfnisse jeder Athletin zugeschnitten ist, kann helfen, das Training effektiver zu gestalten und langfristige Erfolge im Leistungssport zu sichern.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen Trainer*innen und Athletinnen, wesentlich dazu beitragen kann, die Trainingsqualität zu steigern und die Gesundheit der Athletinnen zu schützen.
Hintergrund:
Im Zuge der A-Trainer Radsport Ausbildung 2024 wurde dieser Artikel im Workshop erarbeitet.